Global Forum on Modern Direct Democracy

In den 15 Jahren seines Bestehens hat sich das Global Forum on Modern Direct Democracy zum wichtigsten Treffpunkt weltweit für alle entwickelt, die sich mit Fragen der direkten Demokratie und der Bürgerbeteiligung beschäftigen. Dieses Jahr findet die Konferenz vom 15. bis 18.05. in Bukarest statt. Mehr Demokratie ist nicht nur permanenter Partner des Global Forums, sondern auch mit acht Mitarbeitenden vertreten. Wir bieten Panels und Workshops an, die von der direkten Demokratie über die digitale Demokratie bis zu den Vorteilen von Transparenzgesetzen reichen. Auf dieser Seite werden wir regelmäßig Eindrücke der Konferenz sammeln und von unserer Arbeit hier berichten.

Diese Demokratie-Konferenz ist ein einzigartiger Impuls- und Inspirationsraum für Menschen, die in der Demokratie mehr sehen, als nur ein bloßes Regierungssystem. So unterschiedlich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der internationalen Demokratie-Konferenz auch sind, eines eint uns: die Überzeugung, dass wir die Demokratie ständig weiterentwickeln müssen, dürfen und sollten, damit sie den veränderten Herausforderungen der immer komplexer werdenden Welt gerecht wird. Wir freuen uns auf eine spannende Woche und laden Dich ein, uns zu begleiten!

Vorprogramm:

Ein Vorprogramm drei Tage vor dem Global Forum vom 13. bis zum 15.5. bietet den Teilnehmerinnen und Teilnehmern die Möglichkeit, die Demokratie in Rumänien aus erster Hand zu erleben und direkt an praktischen Projekten der Zivilgesellschaft teilzunehmen. Dies ist eine seltene Gelegenheit, in das Herz der demokratischen Innovation und des zivilen Empowerments im Gastgeberland dieser Ausgabe des Global Forum einzutauchen.

Am Montag wurden wir von Studenten der Vereinigung der Geschichtsstudenten „Dacia“ (ASID) der Universität Bukarest durch die geschichtsträchtigen Alleen und Straßen von Bukarest geführt. Darauf folgte am Dienstag ein Besuch in der Stadt Ploesti, die derzeitiges "Youth Capital", also Jugendhauptstadt von Rumänien ist, bei dem wir einige der 366 Jugendprojekte der Stadt kennenlernten. Am Mittwoch besuchten wir ein lokales Studentenprojekt in Bukarest. Das EFdeN-Projekt, eine Studentenorganisation, die sich für Nachhaltigkeit einsetzt, lädt uns zu einem Klima-Workshop ein. Gegründet wurde die Initiative von ambitionierten Studenten der besten Universitäten Bukarests.

Und so hat es begonnen

Und dann ging es los…also so ganz offiziell. Und zwar wie. Im größtem, nein nach dem Pentagon dem zweitgrößtem Regierungsgebäude der Welt, im Parlamentspalast. Dieses Monstrum von Gebäude wurde noch unter dem diktatorisch regierenden rumänischen Staatspräsidenten Nicolae Ceaușescu geplant und gebaut. Und jetzt, als vielleicht späte nachträgliche demokratische Genugtuung startete gestern das 12. Global Forum on Modern Direct Democracy genau hier. Noch nie gab es ein Global Forum in Osteuropa. Die letzten Jahren war die Demokratie-Konferenz in Mexiko, in der Schweiz, Italien, Taiwan. Um so wichtiger, dass sie nun endlich in dieser Region stattfindet. In einer Region, die noch vor einer Generation unter diktatorischen Herrschaft stand und jetzt mit einer Grenze zu Ukraine die militärischen Aggression von Putins diktatorischem Russland viel direkter spürt als in Deutschland.

16.05.: Bühne frei!

Bukarest kann man sich ein bisschen wie das Ost-Berlin vor 15 Jahren vorstellen. Ein bisschen rough, aber mit Charme, die gelben Straßenbahnen mit ihren großen Rädern quietschen durch die Stadt, die noch klar von sozialistischer Architektur geprägt ist. Wenn man sich etwas vom Stadtkern entfernt, stehen noch aus der Zeit der letzten Monarchie vereinzelt teils stark in Mitleidenschaft gezogene Prunkbauten und Villen herum. 

Das Global Forum on Modern Direct Democracy tagt gleich an zwei verschiedenen Orten: Einmal ganz klassisch an der Universität von Bukarest und außerdem in einem alten Theater mitten in der Innenstadt. Das muss zum Hintergrund-Setting der Konferenz fürs Erste reichen.

In einem Eröffnungpanel am ersten Tag beschäftigt sich das Global Forum in diesem Jahr nicht zufällig mit der Zukunft des Journalismus. Immer wieder berichten uns Aktivistinnen und Politiker aus den osteuropäischen Staaten das Desinformation und Fake News hier eine große Bedrohung für die Demokratie darstellen. Petru Macovei, Direktor des Verbandes für unabhängige Presse in Moldavien erklärt deshalb: “Journalistinnen und Jorunalisten verteidigen die Demokratie an vorderster Front.” Die Panlistinnen und Panlisten sind sich einig: Auch zukünftig braucht es einen unabhängigen Journalismus, der die Öffentlichkeit mit fundierten Informationen und einem politischen Kontext versorgt. In Zeiten von Social media und Künstlicher Intelligenz wird sich dieser Jorunalismus nur an ein neues technologisches Umfeld und Gegebenheiten anpassen müssen. 

Weltweit beobachten wir eine Polarisierung zu politischen Fragen, die durch die Nutzung neuer Technologien (KI, Algorithmen usw.) durch böswillige Akteure noch verstärkt wird. Technologische Innovationen können jedoch auch Lösungen bieten und die Demokratie neu beleben, sie widerstandsfähiger machen und einen positiven Dialog zwischen den Bürgerinnen und Bürgern fördern. In unserem ersten Workshop am Nachmittag des ersten Konferenztages erklärten unsere Expertin Julia und unser Experte Simon, wie die open-source Beteiligungsplattform CONSUL für politische Kampagnen genutzt werden kann, verschiedenste Beteiligungsmöglichkeiten eröffnet und eine neue digitale Kultur der Mitbestimmung in Kommunen ermöglicht.

Danach stellten unsere Experten Achim Wölfel und Frank Rehmet in einem Workshop die direkten Demokratie in Deutschland – mit Schwerpunkt Nordrhein-Westfalen –  auf der kommunalen Ebene vor. Sie erläuterten die Regelungen und Praxis von Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden. Die Teilnehmenden zeigten sich sehr interessiert an den Erfahrungen mit den inzwischen über 9.000 Verfahren.

 

17.05.: Europa im Zentrum

Der nächste Tag des Forums ging im Theater weiter. Der Vorhang öffnete sich, und im gut ausgeleuchteten Bühnenlicht begrüßte der belgische Botschafter das noch etwas verschlafene Publikum. Ja, genau da war was: Die Europawahl Anfang Juni. Und Belgien hat gerade die Rolle der Ratspräsidentschaft inne und damit eine große Verantwortung vor der vielleicht wichtigsten Europawahl seit Jahrzehnten. Wie wir wissen, ist es nicht ganz unwahrscheinlich, dass das Europäische Parlament nach der Wahl von EU-Gegnern dominiert wird. Autsch.

Nach den etwas steifen Begrüßungsworten des Botschafters wurden Fernsehkameras aufgebaut, und es folgte in unserem Demokratie-Theater der zweite Akt des Tages: das erste rumänische TV-Duell zwischen den Kandidatinnen und Kandidaten der größten Parteien Rumäniens, die sich zur Wahl stellen. Direkt vor unseren Augen stellten sich die Politikerinnen und Politiker der Debatte: Was bedeutet es für Rumänien, nur teilweise Teil des Schengenraums zu sein? Warum sollten gerade junge Menschen sie wählen? Viele Fragen und eine interessante Diskussion aus der Perspektive eines „Grenzlandes“ der EU.

Nach dem politischen Vormittag ging der Nachmittag akademisch mit einem Themen- und Ortswechsel an der Uni weiter. Mehr Demokratie war gleich mit zwei Workshops am Start:

Den Grundstein legte eine lebhafte Diskussion und ein offener Austausch über die Praxis der Informationsfreiheit in der Türkei, Rumänien und Deutschland, vertreten durch unsere Expertin Marie. 

Verschiedene Journalistinnen und Journalisten berichteten von ihren Erfolgen bei der Herausgabe von Informationen in ihren Ländern, so zum Beispiel in Moldawien, wo seit Kurzem eine Reform des Informationsfreiheitsrechts in Kraft ist. Das Fazit des Workshops: Der Zugang zu politischen Informationen ist grundlegend in unserer Demokratie und Grundlage für eine informierte Öffentlichkeit, die sich beteiligt, abstimmt und wählt. Gerade in heutigen Zeiten, in denen das Vertrauen in Regierung und Parlament in vielen Demokratien weltweit gering ist, ist die Stärkung der Informationsfreiheit ein wichtiges Mittel, Vertrauen zu fördern und ein Gegengewicht zu Desinformation und Populismus zu bilden.

Nach einer kleinen Einführung leitete unser Kollege Christian durch die nächste Session, die feststellt: Es gibt auch in der Bürgerbeteiligung kein „One size fits all“. Wir beschäftigten uns mit Community Building, Beteiligungsmöglichkeiten und direkter Demokratie. In diesem Workshop wurden verschiedene Demokratieinstrumente vorgestellt, die auf lokaler Ebene angewandt werden können, und es wurden auch spezifischere Praktiken und ihre Anwendung erörtert. Referenten aus verschiedenen Regionen erörterten Top-down- und Bottom-up-Beteiligungsinstrumente, die üblicherweise auf lokaler Ebene eingesetzt werden, sowie die Frage, welcher Prozess für welche Situation geeignet ist. Besonders eindringlich war der Bericht von Salome Svanidze von der Organisation Civic IDEA aus Georgien, wo die Demokratie derzeit durch umstrittene Gesetzesvorhaben besonders unter Druck steht. Eine vielseitige und erhellende globale Perspektive auf die Instrumente und Kraft der lokalen Demokratie!

18.5.: Ein Ende vom Anfang

Und dann, wenn man sich endlich gefunden und sich das Gefühl eingestellt hat, auf der Konferenz und ein wenig in dieser besonderen Stadt angekommen zu sein, ist es schon wieder (fast) vorbei. Mit dieser Stimmung gingen wir in den letzten Tag des Global Forums. Das Highlight des Tages und vielleicht der Konferenz war die Vorstellung der ersten weltweiten vergleichenden Erhebung zur direkten Demokratie, dem Direct-Democracy Report. Für viele, die in den vergangenen 12 Jahren regelmäßig am Global Forum on Modern Direct Democracy teilgenommen und der Bewegung der direkten Demokratie einen großen Teil ihres Lebens gewidmet haben, war dies ein fast historischer Moment. Endlich wird die Arbeit, die all die Jahre in den Ländern geleistet wurde, in denen wir für größere Selbstwirksamkeit, für mehr Souveränität der Menschen in ihrem (politischen) Umfeld und letztlich für mehr Demokratie kämpfen, sichtbarer, ja sogar messbar. Mit diesem Report schafft die Community aber auch eine viel bessere Grundlage und Ausgangssituation für die wissenschaftliche Debatte zur direkten Demokratie weltweit.

Dieser erste Report, der noch dieses Jahr veröffentlicht werden soll, bildet den Startpunkt für eine regelmäßige, alljährliche Aktualisierung. Und er bezeichnet, so zumindest mein Gefühl, das Ende eines langen Weges, der sich jetzt mit diesem Report selbst auf ein neues Level hebt. Wenn es so weit ist, werden sie den Report sicher über unsere Social-Media-Kanäle und auf unserer Homepage herunterladen können.

„"Democracy is nothing that you should take for granted; it's fragile. You have to fight for it every day."“

Das sind die Sätze, die wir in der Woche des Global Forums 2024 am häufigsten hörten. Was wir alle am Schluss bemerkt haben: In diesem Jahr war das Global Forum wichtiger denn je, nicht weil die vorausgehenden Demokratie-Konferenzen in den letzten Jahren unwichtig gewesen wären – nein, das meine ich damit nicht. Auf einer (internationalen) Konferenz entwickelt man, wenigstens wenn sie gut organisiert ist – was das GloFo definitiv war – eine Art sechsten Sinn für das Thema selbst: Für den Zustand, die Hoffnung und die Entwicklungspotentiale der (direkten) Demokratie an sich. Nur hier und nur für den kurzen Moment der Konferenz selbst wird diese „Stimmung” von all den weltweit angereisten Menschen wirklich spürbar. Es ist wieder mal mehr als die Summe der Teile oder hier der Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Es ist, wenn man es so nennen will, die Essenz der Konferenz, die aber wiederum erst im Nachhinein immer klarer zum Vorschein tritt. Und diese Essenz, dieses Grundgefühl der Konferenz, war sehr von der widersprüchlichen (weltweiten) Konstellation, in der sich die Demokratie momentan befindet, geprägt:

Einerseits wählen dieses Jahr so viele Menschen weltweit wie noch nie in der gesamten Menschheitsgeschichte zuvor! Gleichzeitig sind Demokratien weltweit unter Druck und autokratische Kräfte auf dem Vormarsch. Noch sind wir weit weg von Hoffnungslosigkeit, doch viele ahnen, dass wir in den nächsten Jahren nicht nur unsere Energie in die Vertiefung, Weiterentwicklung und Verfeinerung unserer Demokratien stecken können, sondern sie auch ganz aktiv verteidigen müssen. Nicht falsch verstehen: Natürlich verteidigt man die Demokratie auch dadurch, dass man sie weiterentwickelt, aber wenn sie offen und massiv angegriffen wird, muss man zusätzliche Schutzmaßnahmen bauen.

Am Samstag dann, nach dem gemeinsamen Abschluss, machten wir uns um viele Visitenkarten, Geschichten und Eindrücke bereichert, zurück auf den Weg nach Hause. Das Global Forum 2024 war ein voller Erfolg: Wir durften viel über die noch relativ junge Demokratie in Rumänien erfahren, über die kommunistischen Erfahrungen in Osteuropa und die Lehren, die die Demokratie-Aktivistinnen und -Aktivisten und die Politik des Landes daraus bis heute ziehen. Berichte aus der Ukraine und aus Georgien lassen uns besorgt zurück, die lebendige Zivilgesellschaft in diesen Staaten gibt uns aber auch Hoffnung. Wir sind dankbar und fühlen uns alle gestärkt durch den Austausch und die Vernetzung mit Demokratie-Kämpferinnen und -Kämpfern aus der ganzen Welt.

Und das ist wichtig zu betonen, wir sehen so viele positive Entwicklungen: In Mikronesien wurden per Volksabstimmung die Regelungen für die direkte Demokratie verbessert. In den Niederlanden wird es, wenn alles gut geht, bald das fakultative Referendum auf nationaler Ebene geben. In Rumänien gibt es immer mehr Bürgerhaushalte auf kommunaler Ebene. Wenn man genauer hinschaut, gibt es überall auf der Welt lebendige, bürgerfreundliche und wirksame Beteiligung und direkte Demokratie. Genau hier liegt die  große Stärke der (direkten) Demokratie.

Demokratiefeindliche Kräfte weltweit vernetzen sich und bilden eine internationale Bedrohung für unser friedliches demokratisches Zusammenleben. Das Global Forum zeigt demgegenüber wieder einmal die Stärke von Demokratinnen und Demokraten: Wir durften gemeinsam an Innovationen arbeiten, voneinander lernen und unsere verschiedenen demokratischen Strukturen weiterentwickeln. Solange Demokratinnen und Demokraten weltweit zusammenarbeiten, blicken wir hoffnungsvoll in die Zukunft. Und auf dem nächsten Global Forum on Modern Direct Democracy in Botswana sind wir natürlich wieder am Start! 

Und ganz zum Schluss aus dem Fenster des Flugzeugs nach Berlin schauend: Danke, dass Sie unseren Konferenz-Blog gelesen haben. Schön, dass Sie sich für die Weiterentwicklung der Demokratie interessieren. Bleiben Sie dabei! 

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